Die Seerose im Speisesaal (B00A39EW34) by Ulrich Tukur

Die Seerose im Speisesaal (B00A39EW34) by Ulrich Tukur

Autor:Ulrich Tukur [Tukur, Ulrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik
ISBN: 9783843705387
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2012-10-05T04:00:00+00:00


Kurz nachdem der erste Mensch den Mond betreten und den Trabanten entweiht hatte, verlor Peppino Piselli seinen rechten Arm und lag lange Zeit im Krankenhaus. Er setzte Arturo zu seinem Erben ein, und als er wenig später an einer Blutvergiftung starb (im selben Jahr übrigens, in dem auch Arturos Vater in die Ewigkeit einging), war Arturo der stolze Besitzer eines Eiscafés, das ihm und seiner Mutter ein sicheres Einkommen bescherte.

Jetzt aber, neun Jahre später, hatte ihm ein sonderbares Schicksal alles wieder genommen, er saß am Strand von Levanto, blickte aufs Ligurische Meer, und seine Gedanken trieben hinaus und tanzten wie winzige Schaumkronen am Horizont. Er dachte an elfenbeinfarbene Vanilleeiskugeln, mit denen jener unselige Mensch, der ihn um sein Geschäft gebracht hatte, Billard spielte. Dabei kicherte er, streckte ihm die Zunge heraus und rief: »Ich komme wieder, warte nur, ich komme wieder!« Dann entstieg den Wellen das Bild seiner Mutter, die sich sehnlichst einen Enkel wünschte, immer wieder sprach sie ihn darauf an, aber obwohl er sich einen schmucken Schnurrbart hatte wachsen lassen, beim Gehen die Brust herausdrückte und Duftwässer aller Art probierte, sahen ihn die Mädchen nicht an, und wenn, dann lachten sie, hakten sich unter und bogen kichernd um die nächste Ecke.

Arturo bohrte seine Zehen in den Sand und spürte, wie ihn eine tiefe, sinnliche Müdigkeit überkam, die doch nichts anderes war als Trauer und die Furcht vor allem, was nun kommen würde. Da schlugen die Glocken von einem der levantinischen Kirchtürme und schreckten ihn auf. Der Strand hatte sich gefüllt, und um ihn herum lagen Menschen auf ihren Handtüchern im Sand, blonde Frauen mit bronzefarbener Haut und entblößten, viel zu hellen Brüsten, die wie Spiegeleier in der Sonne brieten. Wenn sie etwas sagten oder Richtung Wasser riefen, klang es seltsam hart und abgehackt. Sicher waren sie aus dem Norden und ihrer Sprache nach zu urteilen vielleicht aus Deutschland. Arturos Herz begann schneller zu schlagen, ihm wurde heiß (als einziger am Strand war er völlig bekleidet), er zog seine Schuhe an, stand auf und lief zwischen den halbnackten Leibern hindurch zurück ins Städtchen.

Als er am Abend wieder in Modena eintraf, hielt ihm seine Mutter ein Telegramm entgegen. Er riß es mit klopfendem Herzen auf. Vor einer längeren Telefonnummer stand folgendes zu lesen: »Lieber A., habe gehört, Du bist frei. Komm nach Hamburg. Wir machen Eis. Ruf mich an. Federico.« Arturo spürte, wie ihn ein warmes, befreiendes Gefühl durchlief; Federico war sein einziger Freund in der Schule gewesen, sie hatten viel zusammen gelacht, denn alles, was Federico in Angriff nahm, ging irgendwie schief, und noch aus dem größten Unglück schlug er komische Funken. Dafür liebte ihn Arturo, nur wunderte er sich jetzt, woher sein Freund wußte, daß er das Eiscafé verkauft hatte. Am nächsten Morgen lief er zur Post und rief in Hamburg an, einer Stadt, von der er nicht die geringste Ahnung hatte, wo sie lag. Wieder zu Hause, nahm er all seinen Mut zusammen und erklärte seiner Mutter mit sanften Worten, daß er die Gelateria verkauft hätte, für



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